Der Spiegel der Erkenntnis

Der Spiegel der Erkenntnis

Dem Spiegel kommt im Märchen eine besondere Rolle zu. Wenngleich es nicht immer der Spiegel selbst ist, in den die Märchenprotagonisten schauen. Es kann auch ein See (Die Nixe im Teich) oder gar ein Brunnen (Das Eselein, Die Gänsehirtin am Brunnen) sein, in dem etwas zu sehen ist, was sich z. B. nach Erlösung sehnt oder aber die Eitelkeit und Gier noch mehr in den Mittelpunkt rückt.

Der Spiegel – ein Fenster in die andere Welt

Selbstverständlich handelt es sich beim Märchen-Spiegel nicht um einen reellen Spiegel, sondern um ein Fenster, durch das man in eine andere Welt blickt, die man mit den gewöhnlichen Augen nicht erkennen kann. In den meisten Fällen jedoch erwartet den Märchenhelden oder die Märchenheldin im Bild des Spiegels eine Aufgabe, die sie erkennen und schließlich bewältigen müssen. Und da es sich um eine Spiegelung ihrer selbst handelt, kann auch jeder nur das darinnen sehen, was der eigenen Seelenlandschaft entspricht.

„Seid Ihr die Königstochter, deren Schönheit alle Welt rühmt?“ rief er aus. „Ach“, erwiderte sie, „das ist meine Gestalt nicht, die Augen der Menschen können mich nur in dieser Hässlichkeit erblicken, aber damit du weißt, wie ich aussehe, so schau in den Spiegel, der lässt sich nicht irre machen, der zeigt dir mein Bild, wie es in Wahrheit ist.“ Sie gab ihm den Spiegel in die Hand, und er sah darin das Abbild der schönsten Jungfrau, die auf der Welt war, und sah, wie ihr vor Traurigkeit die Tränen über die Wangen rollten. Da sprach er: „Wie kannst du erlöst werden? Ich scheue keine Gefahr.“

Im Grimmschen Märchen von der Kristallkugel entdeckt der Jüngling im Spiegel eine wunderschöne Jungfrau, die ganz und gar nicht dem Bild entspricht, so wie sie sich ihm zunächst zeigt. Unser Verstand würde natürlich gleich zweifeln. Wie kann ein männliches Wesen in einen Spiegel schauen und darin das Bild einer schönen Frau erkennen? Aber nicht die äußeren Augen können die wahre Gestalt erkennen, sondern nur die inneren oder Herzensaugen. Und so könnte es ein Hinweis sein, dass die Aufgabe des Jünglings u. a. darin besteht, seine weibliche Kraft, seine zweite Hälfte in sich zu erlösen und sich mit ihr neu zu verbinden.

Etwas anders verhält es sich im Grimmschen Märchen vom Schneewittchen. Hier wird auch die Gefahr des Spiegels gezeigt. Wer zu lange nur sich selbst sieht und sich in seine eigene Schönheit verliebt, der wird egoistisch, arrogant, selbstsüchtig und rücksichtslos und Mitgefühl ist für ihn ein Fremdwort. Er bleibt nur an der Oberfläche hängen und schaut nicht hinter die Dinge. Für ihn gilt nur, was seine äußeren Augen oder der gesellschaftliche Trend ihm vorgaukeln. Aber wie schnell ist die äußere Schönheit dahin durch Alter, Gebrechen oder gar Unfall. Wohl dem, der den äußeren Schein durchschaut und das wahre Wesen erkennt!

Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig, und konnte nicht leiden, dass sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ So antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.“ Da war sie zufrieden …

Im Spiegel sich selbst erkennen

Nur im Spiegel ist es möglich, sich selbst zu erkennen oder sich gänzlich zu verlieren. Das ist die göttliche Freiheit des Menschen, aber auch sein Fluch. Das Tier, die Pflanze oder der Stein leben noch in der Gottheit. Sie haben nicht das Bedürfnis oder die Sehnsucht, sich von ihr zu trennen, zumindest nicht so weit, dass sie ihre wahre Natur vergessen. Der Mensch jedoch hat sich schon soweit von IHR entfernt, dass er vor lauter Gier, Egoismus und Eitelkeit nach Dingen strebt, die ihn immer mehr von seinem wahren Wesen entfremden.

Welche Kraft wir Menschen nun benötigen, um uns wieder mit der Gottheit oder der Schöpferkraft EINS zu fühlen, hören Sie in der nachfolgenden Weisheitsgeschichte „Der Spiegel der Erkenntnis“:

Der Märchen-Podcast

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© 2023 „Der Spiegel der Erkenntnis“: Karlheinz Schudt und Verlag Märchenhaft leben e.V.
© 2023 Musik, betrachtet und gesprochen von Karlheinz Schudt,
Märchenerzähler, Autor, Seminarleiter

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Der Spiegel der Erkenntnis

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