Schau hinter die Dinge! Auf die Betrachtung kommt es an.

Eine Geschichte mit Betrachtung

An einem Fluss wohnten drei alte weise Männer. Man erzählte sich, dass in ihrer Umgebung seltsame und wundersame Dinge geschahen. Wenn sie morgens zum Baden in den Fluss gingen, dann hängten sie einfach ihre Mäntel in den Wind und die Mäntel blieben so lange hängen, bis sie wieder zurück kamen und sie anzogen.

Eines Tages, als die drei wieder im Fluss badeten, da beobachteten sie, wie ein großer Seeadler auf das Wasser hinunter stieß. Als er sich wieder in den Himmel erhob, hielt er in seinem Schnabel einen zappelnden Fisch. Einer der Weisen rief erbost: „Böser Vogel!“. Plötzlich fiel sein Mantel auf die Erde. Daraufhin sprach mitleidsvoll der zweite Weise: „Armer Fisch!“ und auch sein Mantel fiel in den Sand. 

Der dritte Weise aber betrachtete in Ruhe so lange den Vogel und Fisch, bis beide am Horizont langsam immer kleiner und kleiner wurden und schließlich gänzlich verschwanden. Er schwieg und sein Mantel blieb im Wind hängen.

Nach einer alten Lehrgeschichte, bearbeitet von Karlheinz Schudt

Geschichten und Märchen erzählen lernen

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Auf die Betrachtung kommt es an!

Neulich lag ein totes Rotkelchen vor meiner Haustüre. Meine Katze hat es dorthin gelegt. Es sah nahezu unversehrt aus, bis auf die Tatsache, dass es tot war. Nichts deutete darauf hin, dass die Katze es zerlegen und fressen wollte. Zunächst war ich alles andere als erfreut über den Anblick und dachte darüber nach, wie ich der Katze klar machen konnte, dass sie die Singvögel in Frieden lässt und lieber die Mäuse fängt.

Ernüchtert wurde ich durch die Betrachtung einer Freundin, die mir mit ihren Worten zu erklären versuchte, welche Absicht hinter einem solchen Katzenverhalten steckt: „Katzen wissen, dass wir Menschen großartige Dinge vollbringen. Wir brauchen z. B. nur den Kühlschrank öffnen, um etwas Essbares heraus zu holen. Wir können aber noch viel mehr, nämlich sie, also die Katze, ausgiebig und intensiv streicheln. Doch die Katze weiß auch, dass wir Menschen außerordentlich schlechte Jäger sind und um Beute zu machen, mit großen Einkaufstüten oder -beuteln unterwegs sind. Also beschenkt sie uns regelmäßig mit ihrer Beute, damit auch wir einmal etwas Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen“.

Wer ist nun der oder die Schuldige?

Nun frag ich mich: Wer ist jetzt der oder die Böse bzw. Schuldige? Die „mordende“ Katze, die ihrer Natur folgt und mich eigentlich nur beschenken wollte? Die „grausame“ Natur oder „unbarmherzige“ Schöpfung, die solche Kreaturen überhaupt hervorbringt? Der „sympathische“ Singvogel, der dumm genug war, sich von der Katze fangen zu lassen? Ich, als vermeintlich fortschrittlicher und zivilisierter „Gutmensch“, mit meiner einseitigen Moralvorstellung? Oder womöglich sogar die „verhasste“ Maus, die nicht rechtzeitig zur Stelle war, um sich von der Katze vernaschen bzw. fangen zu lassen?

Wer weiß, vielleicht gibt es noch eine Menge mehr Gründe, um einen Schuldigen zu finden. Ich jedoch habe aus der Betrachtung meiner ganz persönlichen Geschichte in Verbindung mit der obigen Lehrgeschichte einiges gelernt. Um sich ein differenziertes Bild von einem Prozess oder Zustand machen zu können, gehört weitaus mehr, als nur eine mit unzähligen Emotionen geladene Meinung oder Ansicht zu vertreten. Was dann am Ende heraus kommt, ist sicherlich kein einseitiges Urteil mehr, sondern der erste Schritt in eine Sichtweise, die mir ein klein wenig den Blick hinter die Dinge ermöglicht und vieles in einem weitaus größeren Zusammenhang offenbart, als ich es je vermutet hätte.

Wie im „Kleinen“, so im „Großen“!

Vielleicht mag es etwas vermessen klingen, aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass alles, was sich im „Kleinen“ ereignet, auch auf das „Große“ zu übertragen ist. Und wenn ich mir die Welt, die Gesellschaft, die Politik und Wirtschaft so von meinem Blickwinkel aus anschaue, dann habe ich immer öfter den Wunsch, unzählige Sprachen zu können, damit ich in jedes Land dieser Welt reisen kann, um einmal herauszufinden, wie dort die Menschen leben, welche Sorgen und Freuden sie haben und was sie von mir bzw. meinen Landsleuten halten.

Da mir allerdings nicht nur die Sprachkenntnisse fehlen, sondern auch die (Lebens-)Zeit und sicher auch das Geld, diese Reise einmal anzutreten, bin ich leider zum Großteil auf die Berichterstattung unserer hiesigen Medien über jene Länder angewiesen. Als kleiner Trost jedoch bleibt mir dann nur noch die Hoffnung, mein Blickfeld einmal dahingehend zu weiten, auch immer mehr die Medien zu hören, die sich eben in jenen Ländern befinden, die ich gerne bereist hätte. Was die wiederum über die Welt, die Gesellschaft, Deutschland oder andere Länder berichten, mag dann wahrscheinlich auf einem „anderen Blatt“ stehen.

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© Karlheinz Schudt
Märchenerzähler, Autor, Seminarleiter

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