Im Märchen kommen ja wirklich immer wieder sonderbare Dinge vor, die den Verstand zur Verzweiflung bringen. Da gibt es die “Siebenmeilenstiefel”, die dem Träger die Fähigkeit verleihen, in kürzester Zeit weite Entfernungen zurück zu legen. Das Kunstmärchen vom “Kleinen Muck” aus der Feder von Wilhelm Hauff erzählt von einem kleinwüchsigen Menschen, der Zauberschuhe in Form von Pantoffeln trägt, mit denen er schneller laufen kann, als der schnellste Mensch der Welt. Und im “Kleinen Däumling” in der Bearbeitung von Ludwig Bechstein gewinnt ein daumengroßer Junge mit Hilfe der “Siebenmeilenstiefel”, die er einem Unhold gestohlen hatte, am Ende großen Reichtum.
Das sind selbstverständlich nur einige wenige Beispiele, in denen Zauberschuhe eine wichtige Rolle spielen und weitaus mehr vollbringen können, als gewöhnliche Schuhe. Fast immer im Märchen weisen diese seelisch-spirituellen Bilder nicht auf historische Geschehnisse hin, sondern auf lebendige Prozesse, die sich im Inneren des Menschen vollziehen. Wie sonst ließe sich erklären, dass es Schuhe, Pantoffeln oder Stiefel gibt, die sich über irdische Gesetzmäßigkeiten hinwegsetzen? Das ist ja auch oft das Problem bei jenen Menschen, die Märchen eben nur mit den äußeren oder wissenschaftlichen Augen sehen. Für sie ist ein solcher “Hokuspokus” völlig unmöglich. Da ist es verständlich, dass man sie rigoros ablehnt oder in den Bereich der “Lügen- oder Kindergeschichten” abtut.
Der Mensch ist viel mehr Geist und Seele, als Körper
Doch der Mensch und die ganze Natur besteht nicht nur aus Körper oder Materie. Und wenn man einseitig “nur” das Körperliche oder Materielle im Fokus hat, dann braucht man sich nicht wundern, wenn die Menschheit immer mehr einem mechanistischen Weltbild zum Opfer fällt, das alles Leben nur noch auf Berechenbares, Gewinnorientiertes und Gleichmachendes reduziert. Aber so wie sich die Zukunft nicht berechnen lässt, verhält es sich auch mit dem Leben. Auch hier ist mittlerweile bekannt, dass es keinen Menschen auf der Erde als Duplikat gibt. Wir sind alles Individualitäten, von denen jeder seinen eigenen Zugang zum Leben hat, der zunächst durch seinen Blickwinkel, seine Erfahrungen und Erlebnisse entdeckt werden kann und durch die unterschiedlichen Wahrnehmungen der anderen Menschen. Das funktioniert aber nur, wenn es in einem freilassenden Austausch geschieht und nicht unter einseitigem Zwang oder dogmatischer Solidarität. So wie die Gewalt immer neue Gewalt hervorbringt, bringt der Zwang Widerstand hervor, der sich leider bis hin zur Gewalt steigern kann.
“Wem der Schuh passt, der soll ihn sich anziehen”
Im Märchen kommt zuweilen der Beruf des Schusters vor. Seine Aufgabe ist es, den Menschen Schuhe anzufertigen, die exakt zu ihren Füßen passen oder sie wieder zu reparieren bzw. heil zu machen. Ein guter Freund hatte mir einmal von seinem schon lange verstorbenen Vater erzählt, der Schuhmacher war und an den ausgetretenen Schuhen seiner Kunden sehen konnte, welche seelischen Probleme jene im Leben hatten. Auch dies war kein “Hokuspokus”, denn er konnte offenbar an dem Fußabdruck bzw. an dem Abrieb der Innen- und Außensohle erkennen, wie die Menschen gingen. Liefen sie aufrecht oder gebückt durchs Leben, gingen sie mutig und zielgerichtet oder staksten sie unsicher, einseitig und ängstlich durch die Welt.
Im nachfolgenden neuen Märchen “Die Zauberschuhe” hören Sie von einem jungen Mann, der – ob er wollte oder nicht – immer wieder auf seinen ureigenen, selten unbeschwerlichen Weg geführt wurde und stets einen treuen und wachsamen tierischen Helfer zur Seite hatte, der am Ende offenbar alles andere war, als der Schein es zunächst glauben ließ:
© 2022 “Die Zauberschuhe” Karlheinz Schudt und Märchenhaft leben e.V.
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Mit märchenhaften Grüßen
Karlheinz Schudt
Märchenerzähler, Autor, Coach