Sex in Märchen und Geschichten, gibt es das?

Sex in Märchen

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Welchen Stellenwert hat Sex in den Märchen?

Frage von Felix K.,

Hallo liebes Märchen-Team,

im Rahmen meiner Abschlussarbeit in Kommunikationsdesign recherchiere ich über Märchen und Sagen. Das Thema dieser Arbeit ist ein Magazin für Kinder ab acht Jahren und die erste Ausgabe befasst sich mit dem Thema körperliche Liebe (Sex, Sexualität, Aufklärung).

Gibt es nun Märchen oder Geschichten, die sich explizit mit Sexualität befassen? Man sagt, dass der griechische Gott „Zeus“ in dieser Beziehung ein ziemlicher Schwerenöter war, ich kenne aber keine konkreten Namen von solchen Sagen, die sich diesem Thema näher widmen.

Auch möchte ich mich nicht auf die Sagen und Märchen der westlichen Welt beschränken, da ich vermute, in anderen Kulturkreisen wird mit diesem Thema auch anders umgegangen. Wie bereits erwähnt, ich kenne mich in der Materie kaum aus und bitte um Eure Hilfe!

Keine wirkliche Thematisierung von Sex in den Volksmärchen

Antwort dazu:

Lieber Felix K.,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Nach meinen Erkenntnissen hat die Sexualität bei den echten Volksmärchen kaum eine große Rolle gespielt, zumindest wurde sie nicht thematisiert. Selbst die Märchen, die von den Brüdern Grimm gesammelt und bearbeitet wurden, hatten in ihrer Urfassung – also so, wie sie die Brüder Grimm mündlich überliefert bekamen – kaum Hinweise auf sexuelle Handlungen, die vordergründig behandelt wurden.

Es wird berichtet, dass die Brüder Grimm sexuell anzügliche Stellen in den ihnen überlieferten Märchen verändert oder weggelassen haben. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass echte Märchen (Volksmärchen) einen unnatürlich großen Wert auf die Darstellung von Sex gelegt haben.

Was allerdings nun aus psychologischer oder psychoanalytischer Sicht zum Thema Sexualität besonders durch den Neurologen, Tiefenpsychologen, Kulturtheoretiker und Religionskritiker Siegmund Freud (1856 – 1939) in die Märchen hinein interpretiert wurde, ist wohl eine andere Sache und müsste in Anbetracht jener Zeit und der persönlichen Lebensumstände von Herrn Freud etwas näher betrachtet werden, wenngleich es sicherlich nur einer von unzähligen anderen Aspekten der Märchendeutung oder -betrachtung ist.

Selbstverständlich gibt es Geschichten, die man gerne unter dem Begriff Märchen führt, die allerdings wenig oder gar nichts mit dieser Gattung zu tun haben. Die Märchenerzählerin Rita Maria Fröhle hat große Erfolge mit ihrem erotischen Märchenprogramm. Diese „Märchen“, oder besser formuliert Geschichten, drücken zwar auf poetische, spielerische, humorvolle und leichte Art Erotik bzw. Sexualität aus, nennen die Dinge aber auch konkret beim Wort.

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Die meisten erotischen Märchen sind eher Geschichten, Schöpfungsmythen

Für Kinder sind diese besonderen Geschichten allerdings nicht zu empfehlen. Sie wurden – bedingt durch die sprachliche Formulierung im Allgemeinen und das Thema Sex im besonderen – eindeutig für Erwachsene geschrieben und sollten auch nur dort erzählt werden.

Sicherlich werden Sie in diesen Kulturkreisen (Afrika, Nordamerika, China, Peru), aus denen u. a. die Geschichten der Märchenerzählerin Rita Maria Fröhle stammen, noch mehr Geschichten finden, die vielleicht einen anderen Zugang zur Sexualität aufzeigen, als z. B. westliche Geschichten.

Ob aber echte Volksmärchen aus diesen Kulturkreisen ebenfalls die Sexualität thematisieren, wage ich im Moment zu bezweifeln. Wie Sie bereits erwähnt haben, werden sie z. B. in Schöpfungsgeschichten und Mythen, etc. eher fündig werden, weniger oder gar nicht in den echten Märchen.

Übertriebener Rummel um die natürlichste Sache der Welt

Wir leben wohl in einer Zeit, in der Sex einen großen Stellenwert einnimmt. Kaum vergeht ein Tag, an dem man durch Werbung, Film und Fernsehen, etc. nicht an seine sexuellen Triebe erinnert wird. Und dennoch (oder deswegen) habe ich den Eindruck, dass eine wirklich natürliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität kaum noch möglich ist und Prüderie besonders in jenen Kreisen zu finden ist, die sich als außerordentlich aufgeschlossen und zivilisiert wähnen.

So heißt es in einem erotischen orientalischen „Märchen“ über eine Frau (was übrigens genau so auch für einen Mann zutreffen kann):

„Nach außen hin scheint sie so fromm und demütig wie eine Moschee in der Mittagshitze, in ihrem Inneren aber, da tanzen tausend wilde Teufel!“

Vielleicht ist dies mit ein Grund, warum Sexualität in den alten Volksmärchen nie besonders thematisiert wurde, weil sie als natürlicher und selbstverständlicher Bestandteil zum Leben des Menschen gehört hat, weder künstlich übertrieben noch scheinheilig verdrängt oder unterdrückt, sondern einfach und natürlich gelebt wurde.

© Karlheinz Schudt
Märchenerzähler, Autor, Seminarleiter

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