Gold (ver)blendet oder Wie die Sehnsucht ihre „Sucht“ verliert

Gold (ver)blendet

Eines Tages bat ein Weiser den König, er möge ihm doch seine Schale mit Gold füllen. Der König, der dem Weisen diesen Wunsch gerne erfüllen wollte, musste mit Schrecken feststellen, dass diese Schale immer leerer wurde, je mehr Gold er hinein tat. Fassungslos sah der König den Weisen an und sprach: „Sage mir, oh weiser Mann, wie kann das sein? Verrate mir das Geheimnis dieser goldenen Zauberschale, denn es scheint, als dass mein unermesslicher Reichtum diese Schale nicht füllen kann?“

„So ist es, mein König“, antwortete der Alte, „Die Schale trägt das Geheimnis des menschlichen Herzens in sich, das nie zufrieden ist. Du kannst es füllen, womit du willst: mit Reichtum, Schönheit, Liebe, Wissen, Macht, Lebenslust und allem, was es gibt. Doch du wirst es nie füllen können, weil es nie erfüllt sein wird.

Der Mensch kennt dieses Geheimnis des Lebens nicht mehr, da er es vergessen hat. Er strebt ständig nach allen Dingen, die er vor sich sieht, gleich wie ein Esel, dem eine Karotte an einer Stange vors Maul gebunden wurde. Und je mehr ein Mensch bekommt, desto mehr wünscht er sich. Die Schale seines Verlangens, seiner Sehnsucht aber, kann sich niemals füllen.“

(Nach einer alten Sufi-Lehrgeschichte,
bearbeitet von Karlheinz Schudt)

Der Weg der „goldenen Mitte“.

Unsere ganze Wirtschaft dreht sich hauptsächlich um die Befriedigung von äußeren Wünschen. Sind diese erfüllt, dann sehnt man sich nach der Erfüllung des nächsten Wunsches. Das fängt schon beim Kind an, das ein lang ersehntes Spielzeug endlich erhält, nach einigen Tagen aber die Lust daran verliert, da es ein anderes, vermeintlich noch schöneres Spielzeug entdeckt hat.

Dennoch leben wir in einer Welt, deren äußeren Verlockungen wir uns nicht verschließen können und auch nicht sollten. Womöglich gehört sie sogar zu einem menschlichen Entwicklungsprozess dazu, um endlich wieder das in der obigen Lehrgeschichte angedeutete Lebensgeheimnis praktisch zu erfahren.

So wird wohl „der beste Weg in der Goldenen Mitte liegen“, wie uns so manche alten westlichen Weisen und Mystiker zu berichten haben. Aber auch in der östlichen Weisheit „Nichts verdrängen, nicht dran hängen“ kann erkannt werden, dass zu einem erfüllten und glücklichen Leben der Blick sowohl nach außen, wie auch nach innen gerichtet sein sollte.

Mit Märchen und Geschichten den Weg nach Innen gehen!

Um sowohl die Schönheiten der Welt zu bewundern und sich daran zu erfreuen, als auch deren inneren Geheimnisse und Offenbarungen zu entdecken, dabei können die Märchen und Geschichten als wunderbare Brücke dienen.

Sie sind für alle Entwicklungszyklen des Menschen geeignet, vom Kind, über den Jugendlichen bis hin zum Erwachsenen. Märchen helfen, zu sich selbst zu finden, den eigenen Weg zu erkennen und mit Freude ausdauernd zu gehen. Sie zeigen, dass der Mensch sein Leben so gestalten kann, wie es seinem inneren Wesen entspricht und sie helfen dabei, die „gute Seite“ von der „schlechten Seite“ zu unterscheiden und beide sinnvoll zu nutzen bzw. zu verwandeln.

So bringen sie in das eigene Leben immer mehr Harmonie und Zuversicht, ohne die scheinbaren Untugenden zu verdrängen! Denn schließlich geht es in den wahren Märchen und in vielen guten Geschichten um die Vereinigung der Polaritäten, nicht um die Ablehnung!

© Karlheinz Schudt
Märchenerzähler, Autor, Seminarleiter

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